Eine Andacht...

„Möchte jemand von euch eine Andacht gestalten“?

 

März 2020 – und dann ist da auf einmal dieser Virus und die ganze Welt steht still. Kein Einkaufen mehr, kein Treffen mit Freunden und Familie und natürlich auch keine Gottesdienste mehr. Kreative Köpfe basteln an Ideen, wie man trotzdem Gemeinschaft pflegen kann und schnell ist u.a.die Idee geboren, gemeinsame Andachten per Video und per Telefon zu feiern.

 

Im April geht es los, meine Gemeinde schließt sich über zoom an die Andacht einer Nachbargemeinde an. Die Erste hält der Vorsteher aus dieser Gemeinde. Am Ende fragt er, ob auch jemand anders mal Lust hätte, eine Andacht zu gestalten – natürlich sage ich, ohne groß darüber nachzudenken – direkt zu. Und denke: wir Frauen können das schließlich auch!

 

Der Termin meiner geplanten Andacht Ende April rückt immer näher und ich werde nervöser. VieleFragen und auch Zweifel tauchen in meinem Kopf auf. Mache ich das alles überhaupt richtig? Eigentlich predigen doch nur Männer in unserer Kirche, warum ist das so? Warum dürfen wir Frauen nicht auch predigen? Je mehr Gedanken kommen, desto intensiver bereite ich mich vor. Ich gehe die Leitgedanken der Andacht immer wieder durch, lese die passende Bibelstelle und schreibe mir viele Gedanken dazu auf. Da ich zugesagt habe, die komplette Andacht zu übernehmen, inklusive sämtlicher Gebete, möchte ich es möglichst perfekt gestalten. Deswegen schreibe ich mir ein Skript, welches ich während der Andacht zu Hilfe nehmen kann.

 

Natürlich war der Tag meiner Andacht schneller da, als ich gucken konnte. Bevor es losging machte ich noch einmal einen langen Spaziergang. Während ich durch die Natur lief, fühlte ich auf einmal ein intensives Gefühl – Ehrfurcht. Ich fühlte ganz starke Hochachtung vor Gott und meiner Aufgabe und betete, keinen Unsinn über Gott zu reden. Und mir wurde sehr deutlich bewusst, wie viel Arbeit unsere Amtsträger in die Vorbereitung auf einen Gottesdienst legen. Natürlich kann man eine Andacht nicht mit einem Gottesdienst vergleichen, da die Vorbereitungen ganz unterschiedlich sind, aber trotzdem. Ich erzähle von Gott, seinen Taten und Werken.

 

Mit gemischten Gefühlen schalte ich zoom an diesem Abend an. Doch dann geht’s auch schon los.Ich bete und fühle mich ganz anders verbunden mit Gott, wie ich es sonst in Gebeten spüre. Ich fange an zu erzählen und stelle mit Hilfe meines Skripts das Bibelwort und meine Gedanken dazu vor. Meine Nervosität verschwindet. Ich spüre, Gott ist da. Trotzdem fühlt es sich irgendwie ungewohnt an. Während des Redens denke ich darüber nach, dass ich, eine Frau, anderen Gemeindemitgliedern von Gott erzähle und alle hören mir zu: Kinder, Jugendliche, Amtsträger, ältere und junge Leute. Schneller als gedacht bin ich fertig und es ist noch genügend Zeit, so dass ein reger Austausch unter den Zuhörern entsteht. Das gefällt mir sehr gut und meine Gedanken gehen dahin, wie toll es wäre, wenn neben der Predigt in Gottesdiensten Zeit zum Austausch über das Bibelwort und das Gehörte wäre. Wie es wäre, wenn auch Frauen vom Altar aus über Gott sprechen dürften. Ganz besonders ehrfürchtig erlebe ich das Gebet „Unser Vater“. Heute bete ich, eine Frau, es vor.

 

Nach der Andacht erhalte ich viel positives Feedback über meine Gestaltung der Andacht. Auch haben einige Amtsträger den regen Austausch als sehr angenehm erlebt. Darüber freue ich mich natürlich und ich denke wieder darüber nach: warum eigentlich nicht? Wieso haben wir Frauen nicht die Chance, gleichberechtigt mit den Männern zu dienen? Ja, ein Gottesdienst benötigt wahrscheinlich intensivere Vorbereitung als eine Andacht, doch ich weiß es nicht genau, da ich bisher keinen Gottesdienst halten durfte. Aber ich habe erlebt, dass Gott mir während der Andacht ganz nahe ist und er mir hilft.

 

Und ich habe erlebt, dass wir Frauen das alles auch können – wenn man uns eine Chance gibt!

 

Geschrieben von Anne K. aus Weeze